Verbundarchivar Dr. Marius Golgath präsentiert Unterlagen aus Mülben und Weisbach. (Foto: Hofherr)
Waldbrunn. Die Waldbrunner Ortsteile Weisbach und Mülben begehen 2026 und 2028 die Feierlichkeiten zum 700-jährigen Ersterwähnung. Im Zuge der Planungen zu den Ortschroniken regte der Waldbrunner Hobby-Historiker Otmar Glaser eine Führung für Interessierte und künftige Chronik-Autoren durch das Gemeindearchiv an. Dem kam Verbundarchivar Dr. Marius Golgath gerne nach und führte ins Archiv im Untergeschoss der Katzenbuckel-Therme ein.
Einführend berichtete er, dass in den 1990er-Jahren ein Archivverbund aus zehn Kommunen im Umland von Eberbach gebildet wurde, welcher vom Neckartal über den Kleinen bis zum Hohen Odenwald reicht und rund 43.000 Einwohner in den Bundesländern Baden-Württemberg und Hessen sowie den drei Landkreisen Bergstraße, Rhein-Neckar-Kreis und Neckar-Odenwald-Kreis umfasst.
„Ich bin der einzige Archivar in Deutschland, der in seiner Amtsfunktion gleichzeitig für baden-württembergische und hessische Kommunen zuständig ist“, so Dr. Golgath. Acht Verbundgemeinden sind mit Archivalien in jeweils eigenen Archivräumen im Eberbacher Archiv in Pleutersbach untergebracht, lediglich Waldbrunn und Schönbrunn haben eigene Räume vor Ort.
In Waldbrunn wählte man 1974 die Räume des damals neu gebauten Kurzentrums, der heutigen Katzenbuckel-Therme, da es hier keinen direkten Lichteinfall und konstante Temperaturen gibt, wie der Archivar erklärte.
Im Gemeindearchiv sind alle Archivalien, also Amtsbücher, Rechnungen und Archivakten, der Ortsteile gelagert.
Die Überlieferungen für die beiden kommenden Ortschroniken aus den Amtsbüchern der Ortsteile Weisbach und Mülben reichen bis ins 18. Jahrhundert zurück, das älteste Bürgerbuch beginnt dabei bereits im Jahr 1795. Das Ortsbürgerrecht ist damals für den Holzbezug aus dem Wald, das so genannte „Gabholz“ sehr wichtig gewesen.
Aus der Zeit zwischen 1841 bis 1849 existiert ein Viehkauf- und Tauschbuch, ließ der Antiquar wissen und erklärte, dass die Kühe des Winterhauches früher bis in die Rheinpfalz und nach Franken verkauft wurden.
Die Archivakten, die nach dem um 1900 eingeführten Külby-Aktenplan geordnet und mit der badischen Aktenheftung zusammengebunden sind, umfassen Armen-, Bau-, Forst-, Medizinal- und Jagdangelegenheiten sowie Akten der Gemeindeverwaltung, aus Handel- und Gewerbe, der Kirche, vom Unterricht, der Landwirtschaft, von Militär und der Statistik, führte Dr. Golgath weiter aus.
Besondere Erwähnung fanden bei der Führung die Weisbacher-Akten zum Verkauf des Armenhauses von 1913 bis 1922, Baubescheide mit Baugenehmigungen und Pläne aus der Zeit von 1903 bis 1945 und 1844 bis 1955 sowie Unterlagen zur Volkszählung aus den Jahren 1836 bis 1882, die für die Zuordnung der Hofstellen und Häuser für die Ortschronik von großem Interesse sein werden.
NOKZEIT-KANAL auf Whatsapp.
Abonnieren Sie kostenlos unserenAuch ein Gesuch über die Aufhebung feudaler Abgaben an die Standesherrschaft Zwingenberg aus der Zeit vor und nach der Badischen Revolution von 1846 bis 1952 liegt vor. Damals hat sich die Bevölkerung wegen drückender Abgaben gegen die Monarchie aufgelehnt und demokratische Mitspracherechte verlangt.
Die Akte umfasst auch die anderen Dörfer der Herrschaft Zwingenberg, zu der Weisbach und Mülben gehörten und gibt einen interessanten Einblick in die damaligen Lebensverhältnisse und Sorgen der Menschen auf dem Winterhauch, so der Archivar.
Auch im Gemeindearchiv Mülben gibt es so manchen historischen Schatz, dort finden sich Grundsteuerzettel von Mülben, einschließlich Ferdinandsdorf aus der Zeit zwischen 1811 und 1891, der Bau einer Molkerei aus dem Jahr 1904, Zeitungsartikel über eine geplante Odenwaldautobahn aus den Jahren 1971 und 1972 sowie der Bau des Kurparks vom 1968, so Dr. Golgath.
Im Jahr 2019 erfolgt die Amtsübernahme von seinem Vorgänger Dr. Rüdiger Lenz und fiel damit in die Sanierungsphase des Rathauses Strümpfelbrunn, fuhr Dr. Golgath fort. Damals wurden verschiedene, bisher dort lagernde Akten und Pläne an das Archiv ausgesondert.
Darunter auch historische Akten der früheren Gemeinde Schollbrunn, die nach Sichtung und Einordnung in das historische Archiv des Ortsteils eingefügt wurden. Die Akten handeln von der Schifffahrt aus der Zeit, als Schollbrunn in den 1960er-Jahren durch niedrige Steuersätze zahlreiche Schiffer, darunter aus Eberbach, als Firmensitz anlockte.
Durch die Aussonderungen sei es notwendig geworden eine Plan- und Kartensammlung sowie eine Grafik- und Fotosammlung aufzubauen, die es bis dahin nicht gab. Wurden bis zu diesem Zeitpunkt im Archiv nur analoge Akten verwaltet, erfolgte die notwendige Einführung des digitalen Magazins DIMAG, das vom Landesarchiv Baden-Württemberg entwickelt wurde.
Es ermöglicht seither die Übernahme von digitalen Daten der Verwaltung und deren langfristige Sicherung. „Die digitale Archivpflege übernimmt das Stadtarchiv Eberbach nun für alle zehn Verbundgemeinden. Diese Daten sind so auch in 100 Jahren noch lesbar“, so Dr. Golgath.
Mit der Bildung des gemeinsamen Standesamtes in Neckargerach hat das Verbundarchiv im Dezember 2023 die zur Ablieferung an das Archiv anstehenden Standesbücher sämtlicher Ortsteile Waldbrunn übernommen und sie ordnungsgemäß in Archivkartons verpackt, wie sie beim Archiv-Rundgang zu sehen waren, schloss der Archivar.
Abschließend bedankte er sich bei allen Anwesenden für das Interesse und bei Waldbrunns Bürgermeister Markus Haas für die Unterstützung und Vorbereitung des Archiv-Rundgangs.