Waldbrunn nimmt weitere Flüchtlinge auf

Waldbrunn.

Nachdem es Flüchtlinge bisher lediglich in überfüllten Fischerbooten auf dem Mittelmeer mittels Fernsehnachrichten auf den Winterhauch geschafft hatten, vertreiben Krisen und Kriege weiterhin Menschen aus ihren Heimatländern. Laut Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) befinden sich derzeit weltweit 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Trotz geschlossener Außengrenzen schaffen immer mehr den Weg nach Europa und auch nach Deutschland, sodass inzwischen auch der Neckar-Odenwald-Kreis mit der Herausforderung konfrontiert ist, Flüchtlinge unterzubringen. Aus diesem Grund war dieser Tage der Erste Landesbeamte Dr. Björn-Christian Kleih nach Waldbrunn gekommen, um die Bevölkerung und die hiesigen Mandatsträger über zwei geplante Unterkünfte zu informieren und Sorgen und Ängste der Waldbrunner anzuhören.
Zunächst zeigte Kleih die allgemeine Problematik auf. Durch verschärfte Krisen, insbesondere im Nahen Osten durch den Islamischen Staat und den Bürgerkrieg in Syrien, müsse man in Deutschland mit 450.000 Flüchtlingen rechnen. Diese werden nach Einwohnerzahl und Finanzkraft zunächst auf die Bundesländer und dann auf die Landkreise verteilt. War man in einer Prognose vom Mai noch von etwa 59.000 Menschen ausgegangen, die aus der Not heraus den gefährlichen Weg nach Europa auf sich nahmen, geht der baden-württembergische Städtetag zwischenzeitlich von bis zu 80.000 Schutzsuchenden im laufenden Jahr aus, berichtete Kleih im Rahmen der Infoveranstaltungen in Waldkatzenbach und Schollbrunn. Im Juni wurden insgesamt 6.438  Erst- und Folgeantragsteller in Asylverfahren erfasst, die zunächst in sogenannten Landeserstaufnahmestellen (LEA) wie in Karlsruhe und Bedarfserstaufnahmestellen (BEA) wie Heidelberg untergebracht und erkennungsdienstlich behandelt werden sollen, um die Identität festzustellen. Außerdem soll dort der Asylantrag gestellt werden, was laut Kleih aufgrund personeller Engpässe bei der zuständigen Behörde nicht klappt. Anschließend werden die Flüchtlinge an die Kreise verteilt. Auf den Neckar-Odenwald-Kreis entfällt ein Anteil von etwas zwei Prozent, sodass aktuell 900-1000 Personen im Jahr in der Region ankommen. Der Kreis bringt die Menschen dann in Gemeinschaftsunterkünften – derzeit 566 Personen – oder Einzelunterkünften – derzeit 188 Personen, in der Hauptsache Familien – unter. Nach 18 Monaten erfolgt die Weiterverteilung ihm Rahmen der sogenannten Kommunalen Anschlussunterbringung an Städte und Gemeinden. Auf dieser Basis leben zurzeit drei Familien aus Syrien, Pakistan und China in Waldbrunn.
Da neben den großen Gemeinschaftsunterkünften in Hardheim (über 300 Menschen) und Osterburken und in Kürze Buchen mit je über 100 Plätzen und mehreren kleineren Einheiten wie das „Haus am Wald“ auf dem Gelände der Johannes-Diakonie in Mosbach mit 40 Personen, die Kapazitätsgrenzen erreicht seien und das Landratsamt händeringend um menschenwürdige Unterkünfte sucht, sei man auf zwei ehemals gastronomisch genutzte Immobilien in Waldbrunn aufmerksam geworden. Durch den Kauf oder die Anmietung solcher Objekte könne man die Unterbringung hilfesuchender Menschen in Turnhallen weiterhin vermeiden. In anderen Kreisen sei es längst üblich, Hunderte von Flüchtlingen menschenunwürdig in solchen Immobilien einzuweisen, hob Dr. Kleih hervor.



In Waldbrunn wolle man daher das ehemalige Gasthaus „Zur Post“ in Waldkatzenbach und „Zur Linde“ in Schollbrunn ankaufen bzw. anmieten. Während man im ersten Objekt zwei bis drei Kleinwohnungen für Familien und mehreren Zimmer für alleinstehende Flüchtlinge und damit 18 Personen unterbringen möchte, sollen in Schollbrunn ebenfalls bis zu drei Kleinwohnungen und ansonsten Einzelzimmer für etwa 30 Personen entstehen.
Um die Bürger frühzeitig zu informieren und mitzunehmen, fanden daher zwei Informationsveranstaltungen in den genannten Waldbrunner Ortsteilen statt, die innerhalb der Bevölkerung auf große Resonanz stießen. Auch Bürgermeister Markus Haas nahm an den Versammlungen teil, um die Sicht der Gemeinde darzulegen.
Während in Waldkatzenbach lediglich Kritik wegen des schlechten Betreuungsschlüssels von einem Sozialarbeiter für 130 Flüchtlinge aufkam, herrschte in Schollbrunn ein teilweise unsachlicher, aggressiver Ton, der von Ressentiments geprägt war, von dem sich jedoch viele Anwesende distanzierten. Es kamen aber auch nachvollziehbare Ängste der Bürger zur Sprache. Es gab aber auch Versammlungsteilnehmer, die betonten, dass man aufgrund der globalen, politischen Lage mit Krieg und Vertreibung als wohlhabendes Land moralisch verpflichtet sei, Menschen in Not zu helfen. Es wurde auch an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert, als man in Schollbrunn weit über 100 Flüchtlinge aus Osteuropa untergebracht und erfolgreich integriert habe.
Pfarrerin Birgit und Pfarrer Richard Lallathin, die in Mosbach als Nachbarn des „Hauses am Wald“ mit 40 Männern aus Syrien und Pakistan zusammenleben und den Arbeitskreis Asyl initiiert haben, betonten, dass es auch aufseiten der Zuwanderer Ängste gibt. Daher sei es für beide Seiten wichtig, aufeinander zuzugehen, sich kennen zu lernen. Nur so ließen sich Vorurteile abbauen und Fehlentwicklungen verhindern.
Auch Landesbeamter Dr. Björn-Christian Kleih, Fachdienstleiter Manfred Schärpf vom Landratsamt und Bürgermeister Markus Haas betonten, dass es ohne ehrenamtliches Engagement nicht möglich sei, den Herausforderungen im Zusammenhang mit der Zuwanderung zu begegnen. Neben einem Hausmeisterservice der rund um die Uhr für Notfälle erreichbar sei, könne auch der Sozialdienst, der in Kooperation mit freien Trägern angeboten wird, jederzeit kontaktiert werden. Bürgermeister Markus Haas hob hervor, dass man auch vonseiten der Gemeindeverwaltung alles tun werde, um ein konstruktives Miteinander von Einheimischen und Flüchtlingen zu erleichtern.  Insofern seien die Neubürger auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels eine Chance für die Gemeinde am Katzenbuckel. Zumal es in Form von Zuweisungen des Landes pro Flüchtling und Jahr etwa 1.000 Euro für die Gemeindekasse gibt, ließ Haas auf Nachfrage wissen. Auch von Diakon Rudi Kößler wurde Unterstützung zugesichert, weshalb sich in Schollbrunn gleich nach der Versammlung mehrere engagierte Bürger zusammenfanden.
Da in beiden Immobilien noch diverse Bau- und Renovierungsarbeiten durchgeführt werden müssen, soll die Linde in Schollbrunn ab September/Oktober bezogen werden, während es in Waldkatzenbach bis Ende des Jahres dauern wird.
Am Montag wird Bürgermeister Markus Haas im Rahmen der Julisitzung den Gemeinderat über die geplanten Unterkünfte informieren.
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Im ehemaligen Landgasthof Zur Post in Waldkatzenbach sollen bis Jahresende 18 Flüchtlinge untergebracht werden. (Foto: Hofherr)