Offener Brief an Bürgermeister Markus Haas und den Waldbrunner Gemeinderat bezüglich Kinderbetreuung und Gebührenerhöhung
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Haas,
sehr geehrte Damen und Herren Gemeinderäte,
sich in der heutigen Zeit für Kinder zu entscheiden, ist nicht mehr selbstverständlich. Tut man dies allerdings doch, so weiß man im Vorfeld eines: Es wird teuer. Die von Ihnen am 20.11.2017 beschlossene Erhöhung der Kindergartengebühren (KP berichtete) haben dies wieder einmal bestätigt.
Die “Anpassung” der Beiträge 2015 und 2017 ergeben im Kleinkinderbereich eine Erhöhung von über 44 Prozent (ein Plus von 1.200 Euro jährlich). Diese Erhöhung stellt für Familien eine weitere finanzielle Belastung dar.
Die hohe Nachfrage nach Plätzen in der Kleinkinderbetreuung ist nicht nur einfach der aktuell anhaltenden, hohen Geburtenzahl zu verdanken. Auch die Berufswelt befindet sich in einem Wandel. Das altertümliche Familienbild des alleinverdienenden, arbeitenden Mann und die Frau für die drei K (Küche, Kinder, Kirche) hat ausgedient.
Deshalb sind viele auf die Betreuung angewiesen, weil sie arbeiten wollen oder nach der Schwangerschaft schnell wieder ins Berufsleben einsteigen müssen.
Einfache Beispiele hierfür sind der drohende Wegfall des Arbeitsplatzes, der Entzug leitender Positionen bzw. wegfallende Beförderungen (vor allem Mütter sind hiervon betroffen), Ausbildungs- und Weiterbildungszeit, finanzielle Notwendigkeit oder Selbstständigkeit. Viele Eltern wollen auch einfach den Anschluss an die Berufswelt nicht zu verpassen.
In den meisten Fällen reicht ein einzelnes Einkommen zur Erhaltung eines angemessenen Lebensstandards nicht mehr aus. Dies ist auch dem seit den 90-er Jahren stagnierenden Reallohnindex geschuldet. Hier zeigt sich, dass Lohnerhöhungen nur noch die Inflationsrate ausgleichen, die Kaufkraft jedoch sinkt. Der Einkommens-Euro wird somit immer weniger wert.
Wogegen die Steuer- und Abgabenlast in diesem Zeitraum erheblich gestiegen ist. Man nehme nur Mehrwertsteuererhöhung, Öko-Steuer, Energiesteuer, Mietpreis-Explosion, EEG-Umlage und so weiter. Alleine die Energiewende wird eine vierköpfige Familie bis zum Jahr 2025 direkt und indirekt mit 25.000 Euro an Mehrkosten belasten (Quelle: Welt/N24).
Das Problem der indirekten Steuern und Abgaben ist, dass sie degressiv wirken, weshalb kleine und mittlere Einkommen überproportional stärker belastet werden. Außerdem sollen die jungen Generationen heute schon privat für die Rente vorsorgen, um nicht in der Altersarmut zu enden, und gleichzeitig durch Rentenbeiträge das Einkommen der älteren Menschen sichern. Die Mittelschicht unseres Landes korrodiert.
Eltern, die berufsbedingt auf die Kinder- und Kleinkinderbetreuung angewiesen sind, haben also keine andere Möglichkeit, als die diktierten Gebühren, Öffnungszeiten und/oder den Wegfall von Angeboten stillschweigend hinzunehmen. Durch die aktuell in Waldbrunn angebotene halbtägige Betreuung ist für viele Elternteile ohnehin nur maximal die Besetzung von Halbtagsstellen möglich. Wenn also das ein Drittel bis zur Hälfte des Gehalts nur dafür investiert werden muss, um überhaupt in der Lage zu sein, arbeiten gehen zu können, wird jede Gebührenerhöhung existenziell. Man muss sich dann fragen, ob sich Berufstätigkeit überhaupt noch lohnt. Auf der anderen Seite fehlen Fachkräfte, weshalb jedem die Möglichkeit offen stehen sollte, sich beruflich zu entfalten. Und stützt nicht diese Bereitschaft auch unser ohnehin schon angeschlagenes Sozial-, Renten- und Wertesystem?
Die räumliche Situation der Kindergärten in Waldbrunn wird durch die notwendige Entstehung von weiteren Kleinkindergruppen in naher Zukunft schwierig (Containerlösung). Darunter leidet auch die Qualität der Einrichtungen.
Wenn Mengen und/ oder Qualität abnehmen, wie beim Wegfall von Bewegungs- und Raumangeboten, gleichzeitig aber der Preis steigt, könnte man nach einer wirtschaftlichen adäquaten Bewertung durchaus sogar von einer Erhöhung von 50-60 Prozent innerhalb von zwei Jahren sprechen. Auch wenn die genannten Angebote nicht explizit vom Gesetzgeber gefordert sind, so sind und waren sie vorhanden und werden künftig wegfallen. Nebenbei sollte erwähnt werden, dass Nachbargemeinden hier deutlich unter den Waldbrunner Kindergartenbeiträgen liegen. Dort wird für weniger Geld mehr Leistungen geboten. Teilweise ist die Betreuung für Eltern sogar kostenlos (Stadt Heilbronn – ein vorbildlicher Sonderfall).
Unser Nachbarland Hessen wird ab Mitte 2018 die Kindergarten-Gebühren sogar landesweit abschaffen. Nach der Aussage von Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) wird eine Familie pro Kind innerhalb von drei Kindergartenjahren dadurch um rund 5000 Euro entlastet.
Der Bürgermeisterwahlkampf in Waldbrunn war unter anderem geprägt von den Themen demografischer Wandel und Kinderbetreuung. Hier wurde von Bürgermeister Markus Haas versichert, dass “in den Bereichen Kinderbetreuung mit Kleinkinderbetreuung, verlängerte Öffnungszeiten, und verlässliche Grundschule alles getan werden muss, um als Gemeinde attraktiv zu sein. Trotz möglicher Mehrkosten, denn das sind Investitionen in unsere Kinder und unsere Zukunft.” (Quelle: Katzenpfad)
Das von Zeit zu Zeit gemäßigte Erhöhungen zur kommunalen Entlastung nicht ausbleiben können, ist wohl verständlich, jedoch bringt die hier eingefüllte Menge das Fass zum Überlaufen. Während nun auf der einen Seite die Kindergartengebühren erhöht wurden, flogen einem in der gleichen Gemeinderatssitzung die Millionenausgaben nur so um die Ohren. Die Sanierung des Ortsteils Schollbrunn wird den finanziellen Spielraum der Gemeinde in den nächsten Jahren stark einschränken. Die geplante Sanierung des Rathauses wird, sofern beschlossen, nach ersten Kostenschätzungen mit weiteren 1,5 Millionen Euro zu Buche schlagen.
Behalten Sie den finanziellen Fernblick in Bezug auf einen möglicherweise weiteren notwendigen Ausbau der Kinderbetreuung im Auge, um die soziale Grundversorgung unserer Kinder und Zukunft zu sichern.
Die Mitglieder des Elternbeirates agieren ehrenamtlich und machen sich zu vielen aktuellen Themen mehr Gedanken als dies vielleicht wahrgenommen wird, doch ihren Einwänden und Sorgen wurde bisher nicht stattgegeben. Ich bitte Sie um bessere, konstruktive Zusammenarbeit und die Einbindung der Elternvertreter bei Entscheidungsfindungen. Anhörungen zu (nicht-öffentlich) bereits beschlossenen Entscheidungen verursachen Frust und tragen zur Verhärtung von Fronten bei.
Ich bitte Sie meine Einwände und Sorgen als Vater sowie als Waldbrunner Unternehmer ernstzunehmen und das Thema Kinderbetreuung ohne Verzug weiter voran zu treiben. Bitte behalten Sie sich die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen der jüngeren Generationen bei zukünftigen Entscheidungen im Gedächtnis.
Waldbrunn ist attraktiv und lebenswert. Gestalten Sie es auch weiterhin zukunftsfähig und ganzheitlich familienfreundlich – nicht nur mit Schwimmbad und Bauplätzen.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Krug