Geowissenschaftler Dr. Bernd Strey erläutert den Buntsandstein, der für den Bau der evangelischen Kirche in Waldkatzenbach verwendet wurde. (Foto: Hofherr)
Kurzweilige Rundgang durch das Waldhufendorf, das nicht nur einen „verrückte Forstmeister“, sondern auch dem Urlurch Odenwaldia Heidelbergensis Heimat wurde
(hof)
Zu einem ganz besonderen Osterspaziergang durfte der Geowissenschaftler Dr. Bernd Strey an Ostersonntag gut 30 Waldbrunner, aber auch Teilnehmer aus Bruchsal und Karlsruhe begrüßen. Nachdem Strey mit seinen Dorfspaziergängen im Odenwald bereits vor drei Wochen im zwischen Hessen und Baden-Württemberg geteilten Dörfchen Igelsbach begonnen hatte, ging es nun am Katzenbuckel, einem Vulkanhärtling, der mit 626 Metern höchsten Erhebung im Odenwald weiter.
Als Treffpunkt hatte Dr. Bernd Strey den Bürgersaal Waldkatzenbach ausgesucht um anhand dieser ehemaligen Schule auf das Schulwesen auf dem Winterhauch, aber auch anderer Odenwalddörfer einzugehen. Außerdem ließ er die Teilnehmer wissen, dass der Rundgang in zwei Teile untergliedert ist und auch von gehandicapten Teilnehmern gut zu bewältigen ist.
Das heute noch als Bürgersaal genutzte Schulgebäude wurde 1950 errichtet und war bis Anfang der 1970-er Jahre als Bildungsstätte in Betrieb. Mit der Gemeindereform und dem Zusammenschluss der Winterhauchdörfer zur Gemeinde Waldbrunn wurde der Betrieb in der sogenannten Mittelpunktschule in Strümpfelbrunn aufgenommen. Somit endete die Schulgeschichte, die laut Dr. Strey um 1800 begonnen haben dürfte. Zu Beginn gab es in der Regel keine qualifizierten Lehrer und kein Schulhaus. Vielmehr wurden die Mädchen und Jungs vom Pfarrer oder Nebenerwerbslehrern ausgebildet, die an zwei, drei Tagen die Woche private Räumlichkeiten zu Klassenzimmern umfunktionierten.
Die Lehrer bestritten ihren Lebensunterhalt durch Landwirtschaft, Schulgeld und in Form von Naturalien. Gelehrt wurde lediglich in den Wintermonaten, da die Arbeitskraft der jungen Menschen von Frühjahr bis Winteranfang in der elterlichen Landwirtschaft benötigt wurde. Neben Grundzügen in Lesen, Rechnen und Schreiben standen alltägliche Dinge wie Obstbaumschnitt, Gartenpflege und vieles mehr auf dem „Lehrplan“.
Nach diesem kurzen Streifzug in die frühe Schulgeschichte, ging der Geograph und Geologe Dr. Strey an der Kreuzung Katzenbuckel-/Rathausstraße mit einem Blick zum Katzenbuckelgipfel zunächst auf den Vulkanismus und die beiden Ausbrüche und die daraus resultierende Geologie und Mineralogie ein. Diese Ausbrüche sind dafür verantwortlich, dass zunächst etwa 500 Meter hohe Gesteinsschichten über dem heute sichtbaren Boden angehäuft wurden. Dieses Muschelkalkmaterial wurde im Lauf von 70 Mio. Jahren abgetragen, wodurch sich der Katzenbuckel herausbildete. Da er aus härterem Material, umgangssprachlich auch Basalt genannt besteht, bildete sich die heute charakteristische Form des Gipfels heraus. Durch Blitzeinschlag wurde das Gestein magnetisiert, weshalb direkt am Gipfel jede Kompassnadel verrückt spielt.
Den zweiten Blick ließ Dr. Bernd Strey über das Dorf gleiten und stellte dabei die Siedlungsgeschichte dar. Die erste urkundliche Erwähnung datiert laut Strey aus dem Jahr 1370. Damals war die Ansiedlung im Besitz der Herren von Zwingenberg.
Gegründet wurde Waldkatzenbach als sogenanntes Waldhufendorf. Nach der Rodung von Wald wurden Bauern angesiedelt, die im Lauf der Jahrhunderte immer mehr Acker- und Weideflächen benötigten, weshalb die Ansiedelung immer weiter gewachsen sei. Die heutige Rathausstraße und die Katzenbuckelstraße sind laut Dr. Strey die Grenzen gewesen.
Als nächste Station stand die evangelische Dorfkirche auf dem Programm. Diese hatte im Zusammenhang mit der Reformation eine exklusive Funktion inne. Waren die evangelischen Gläubigen zunächst darauf angewiesen, die Kirche in Strümpfelbrunn zu besuchen, wurde die Kirche später eine der wenigen lutherischen Kirchen der Region, weshalb Lutheraner aus Eberbach, der Gaimühle und Sensbachtal das zentral gelegene, 1747 erbaute Gotteshaus aufsuchten. Der heutige Bau datiert aus dem Jahr 1903.
Anhand der Kirche ging Dr. Bernd Strey ganz Geowissenschaftler aber auch auf den regionaltypischen Buntsandstein ein, der in zwei Varianten vorkomme. Der für die Kirche verwendete Stein stamme vermutlich aus einem Steinbruch bei Strümpfelbrunn. Hinter dem heutigen Landschulheim sei der aus Quarz, Feldspat und Glimmer bestehende Feinsandstein vermutlich abgebaut worden, ließ Strey die Teilnehmer wissen.
Entlang der nach dem Erfinder Karl-Friedrich Freiherr von Drais-Sauerbronn (später Karl Drais) benannten Hauptstraße ging es zu dessen ehemaligem Wohnhaus. Dort lebte der Erfinder von 1835 bis 1848. Doch statt den Wald zu kartieren, wie es als Forstmeister seine Aufgabe war, reparierte er den Odenwälder Bauern allerlei Gerät, weshalb er sehr beliebt gewesen sein soll. Von den Einheimischen als „verrückter Forstmeister“ bezeichnet, erfand Drais in seiner Zeit im Odenwald die Draisine. Auch Laufrad, Schreibmaschine, Strohschneider, Fleischhackmaschine und vieles mehr gehen auf den Freiherrn zurück. Im Rathaus der Gemeinde Waldbrunn ist heute ein Nachbau des Draischen Laufrads zu bewundern.
Weitere führte der Osterspaziergang zum Brunnenbuckel über dem die Dorflinde thront. Diese soll nach dem 30-Jährigen Krieg im Jahr 1648 von sieben überlebenden Waldkatzenbacher Familien gepflanzt worden sein. Im Lauf der Jahrhunderte wuchsen die Stämme zu einem imposanten Baum zusammen. In unmittelbarer Nachbarschaft steht, leider dem Verfall preisgegeben, das älteste Haus des Waldbrunner Ortsteils.
Am Brunnen, der an der Kreuzung nach Strümpfelbrunn errichtet wurde, verabschiedete Dr. Bernd Strey einige Teilnehmer, bevor er mit Blick auf die ehemaligen Gasthäuser Zum Löwen (heute ein Seniorenheim des DRK Mosbach) und Zum Adler sowie der Baulücke, die der Abbruch des ehemaligen Katzenbuckels hinterlassen hat, um die lange Tradition des Tourismus auf dem Winterhauch vorzustellen. Aufgrund des Reizklimas und als Luftkurort nutzten auch Renten- und Krankenversicherungen die damals noch selbständige Gemeinde Waldkatzenbach, um ihren Mitgliedern Kuren anzubieten. Auch wenn der Fremdenverkehr, so die frühere Bezeichnung, heute nicht mehr den gleichen Stellenwert habe, so seien Feriendorf und Katzenbuckel-Therme nach wie vor wichtige Faktoren des Tourismus, so Strey.
Ein Teilnehmer wusste zu berichten, dass es sogar Pläne für ein Freischwimmbad und den Neubau eines Kurhotels gegeben habe.
Weiter ging es ins Bräunlesrot, wo sich den verbliebenen Teilnehmern ein Blick in die Eisigklinge bot.
Dort habe man im Zuge von Bauarbeiten Anfang der 60-er Jahre einen sensationellen Fund gemacht und den Abdruck eines Schädels entdeckt, der zunächst als Trematosaurus bezeichnet wurde. Spätere Erkenntnisse führten zur Erkenntnis, dass es sich um einen ca 150cm langen Urluch handelt, der inzwischen als Odenwaldia Heidelbergensis in der Fachwelt bekannt ist. Als zweite geologische Sensation wurde bei Bohrungen ein weiterer Vulkanschlot entdeckt, der nicht mit dem Katzenbuckel-Schlot verbunden sei, ließ der Geowissenschaftler die staunenden Zuhörer wissen.
Noch bedeutsamer für die heutigen Waldkatzenbacher ist die Funktion des sogenannten Kerbtals Eisigklinge als Kaltluftabflusstal. Diese Funktion sorge dafür, dass die Gegend rund um den Katzenbuckel nur selten von Frühnebel betroffen sei und daher häufig schon am frühen Morgen die Sonne scheine, während ins Neckartal bis in die späteren Morgenstunden kein Sonnenstrahl vordringe. Mit dem Hinweis auf den „Weg der Kristalle“, der Drais-Radrundweg durch alle Waldbrunner Ortsteile und ganz besonders auf seinen nächsten Spaziergang verabschiedete Dr. Bernd Strey die interessierten Spaziergänger nach zwei kurzweiligen Stunden.
Für seinen nächsten Spaziergang im Rahmen der Stutenmilchwochen rund um das Kurgestüt der Familie Zollmann verspricht der Geowissenschaftler Dr. Strey, dass man das Schweizer Dorf Mülben nicht nur sehen, sondern bei entsprechendem Wetter auch hören könne.
Auch die Geschichte der imposanten Dorflinde erfuhren die Spaziergänger. (Foto: Hofherr)